Mehr Teilzeit, weg von reiner Präsenz - Praktika in der Evaluation heute

Interview mit Sandra Schopper

Sandra

Für den PME-Blog habe ich (Evelyn Funk) wieder ein spannendes Interview geführt. Meine Interviewpartnerin Sandra Schopper leitet seit Mai 2020 im Team die Geschäftsstelle der Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) und ist gleichzeitig Koordinatorin des Masterstudiengangs "Evaluation" an der Universität des Saarlandes, den sie selbst auch studiert hat. In dieser Position unterstützt sie die Studierenden bei der Suche nach Praktikumsplätzen. Wir haben darüber gesprochen, warum sich so ein Praktikum wirklich lohnt, wie man geeignete Praktikumsstellen finden kann, und wie sich ein Evaluationspraktikum durchaus auch mit anderen beruflichen und privaten Verpflichtungen in Einklang bringen lassen kann.

Evelyn Funk: Liebe Sandra, nochmal hochoffiziell ganz lieben Dank, dass du dir die Zeit nimmst für das Interview zum spannenden Thema Praktika mit Evaluationsbezug. Vielleicht kannst du dich einmal ganz kurz vorstellen, damit alle Leser*innen vom Blog wissen, mit wem ich hier spreche.

Sandra Schopper: Ja, mein Name ist Sandra Schopper, ich habe den Masterstudiengang Evaluation selbst studiert und koordiniere ihn jetzt tatsächlich auch schon seit sieben Jahren. Ich nehme vor allem Koordinationsaufgaben wahr und bekomme durch meine Einbindung in verschiedene Evaluationsnetzwerke viel mit von der Community.

Evelyn: Durch deine Position als Koordinatorin bist du ja eine absolute Expertin zum Thema Praktika. Im Jahresbericht des CEval 2017 habe ich gelesen, dass Studierende im Masterprogramm zwischen 2004 und 2017 insgesamt 140 Praktika mit Evaluationsbezug absolviert haben. Das ist ja eine ganze Menge. Kannst du darüber ein bisschen etwas erzählen, was das für Praktika waren und wo die stattgefunden haben?

Sandra: Das stimmt. Ich muss nur insofern ein bisschen einschränken, als dass das nicht alles reine Praktika im klassischen Sinn waren, sondern manchmal auch einfach die beruflichen Tätigkeiten anerkannt wurden. Denn die Möglichkeit bieten wir auch: Wer jahrelang im Bereich Evaluation arbeitet und den Masterstudiengang Evaluation nur als theoretische Untermauerung nutzt, den schicken wir nicht noch in ein zehnwöchiges Praktikum. Aber tatsächlich fanden wir es spannend, für den CEval-Jahresbericht aufzuarbeiten, wo denn die Studierenden ihre Praktika so machen beziehungsweise wo sie beruflich tätig sind. Es waren Consulting-Unternehmen dabei, der größte Teil war aber tatsächlich an hochschulnahen Evaluationsinstituten oder direkt an Hochschulen. Das kommt wohl auch ein bisschen davon, dass der Masterstudiengang Evaluation an die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar) und an die Universität des Saarlandes (UdS) angegliedert ist, und dass die Studiengangsleiter jeweils auch in Evaluationsinstitute eingebunden sind. Dort haben sich schon viele Möglichkeiten für Studierende angeboten, ein Praktikum zu machen.

Evelyn: Das heißt also, da gab es nicht nur Praktika auf der Auftraggebenden Seite, also bei NGOs, Behörden usw., sondern auch sehr viel auf Seite von Agenturen und Consultings, die selbst Evaluation durchführen?

Sandra: Richtig. Auch das DEval zum Beispiel ist ein ganz großer Praktika-Geber. Die schreiben regelmäßig aus.

Evelyn: Kannst du ein bisschen etwas darüber erzählen, was auf eine Organisation oder Consulting genau zukommt, wenn die eine Praktikantin oder einen Praktikanten für ein Praktikum annehmen? Also, welche Arbeit entsteht, und was gewinnt man?

Sandra: Also, bei uns werden Praktika ja rein formal-rechtlich im Rahmen des Masterstudiengangs absolviert, das heißt, es ist ein sogenanntes Pflichtpraktikum. Das Pflichtpraktikum dauert mindestens zehn Wochen. Wir empfehlen aber auch gerne ein längeres Praktikum, das sechs Monate dauern könnte. Wenn das möglich ist bei den Studierenden und natürlich auch auf Seite der Praktika-Gebenden, ist der Einblick einfach viel größer für beide Seiten. Rein formal muss das Pflichtpraktikum nicht bezahlt werden, aber es ist natürlich für beide Seiten schön, wenn eine gewisse Wertschätzung sich auch über eine Bezahlung ausdrückt, und wenn die Unkosten, die dem Praktikanten oder der Praktikantin entstehen, darüber ausgeglichen werden können. Vorteil für den/die Praktikant*in ist der Einblick in die Evaluationspraxis. Das heißt, je nach Einstiegszeitpunkt kann man sich vielleicht schon an der Konzipierung beziehungsweise der Ausschreibung beteiligen, geht dann in die Datenerhebung hinein, ist dann vielleicht am Prozess der Datenauswertung und des Berichtschreibens beteiligt, darf sich vielleicht auch an der Planung und Konzipierung von Workshops beteiligen. So bekommt man hoffentlich einen möglichst umfassenden Einblick in einen Evaluationsprozess. Wenn es aber nur zehn Wochen sind, dann kann es in der Regel nur ein Ausschnitt sein. Das habe ich selbst auch erlebt bei meinem Praktikum. Wir sind aber nicht dogmatisch, was den Zeitraum angeht. Die Studierenden haben auch die Möglichkeit, dass sie zum Beispiel über einen Zeitraum von über einem Jahr jede Woche zwei Stunden machen. Das lässt sich auch besser mit anderen Verpflichtungen zeitlich vereinbaren. Viele sind ja bereits beruflich tätig, haben selbst Familie; die können gar nicht zehn Wochen am Stück ein Praktikum absolvieren. Von unserer Seite aus wird alles akzeptiert. Es muss eben vom Gesamtzeitraum stimmen, das heißt, es müssen mindestens zehn Wochen erbracht worden sein. Und natürlich müssen es Tätigkeiten im Bereich einer Evaluation sein. Nur Kopieren und Kaffee kochen erkennen wir nicht an.

"Corona hat die Praktika-Situation nicht einfacher gemacht, weil viele den Aufwand scheuen. Jetzt haben sich aber viele auf die neue Situation eingestellt. Und es kann sein, dass sich langfristig mehr Möglichkeiten ergeben, wenn man beispielsweise Praktikant*innen vermehrt auch online zuschalten kann."

Sandra Schopper

Evelyn: Das ist natürlich auch für andere Evaluationsinteressierte eine spannende Idee, so ein Praktikum über einen längeren Zeitraum hinzuziehen und das nicht als Vollzeitpraktikum zu machen. Es gibt ja viele Nachwuchsevaluator*innen oder Menschen, die sich dafür interessieren und die sich erste Berührungspunkte mit der Praxis wünschen und das einmal ausprobieren wollen, und die es genau wie eure Studierenden nicht so gut mit anderen Aufgaben vereinbaren könnten, ein Praktikum in Vollzeit zu machen. Habt ihr seit Beginn der Corona-Pandemie auch Erfahrungen mit virtuellen Praktika gemacht?

Sandra: Es findet natürlich mehr im Online-Austausch statt. Anders ist es auch gar nicht möglich, weil ja auch die Betriebe oder die Organisation selbst im Home-Office sind. Insgesamt ist die Situation schwieriger geworden, das habe ich schon festgestellt. Zum Beispiel hatten zwei unserer Studierenden, die beide auch französischsprachig sind, die Möglichkeit, in Strasbourg ein Praktikum zu absolvieren. Es war eigentlich alles vereinbart für Mai 2020. Aber dann brauchte die Organisation Monate, um sich auf die neue Situation einzustellen. Und natürlich ist dann ein Praktikant, eine Praktikantin nochmal eine Zusatzaufgabe. So hat sich das leider im Sande verlaufen, aber die beiden sind letztlich hier in Saarbrücken untergekommen in anderen Instituten. Sie wohnen auch beide in Saarbrücken und haben so dann zumindest noch die Chance, ab und zu auch in Präsenz da zu sein. Es ist immer leichter, wenn man jemandem ab und an mal über die Schulter schauen kann, als wenn alles online geklärt werden muss. Also, kurz zusammengefasst, Corona hat die Praktika-Situation nicht einfacher gemacht, weil viele den Aufwand scheuen. Jetzt haben sich aber viele auf die neue Situation eingestellt. Und es kann sein, dass sich langfristig mehr Möglichkeiten ergeben, wenn man beispielsweise Praktikant*innen vermehrt auch online zuschalten kann.

Evelyn: Ja, absolut. Du hattest vorhin schon ein bisschen angefangen, die Vorteile aufzuzählen oder zu beschreiben, was so eine Organisation und auch die Praktikant*innen so davon haben. Kannst du aus deiner Erfahrung noch andere Beispiele dafür geben, was sich auch einmal aus einem Praktikum noch entwickelt hat?

Sandra: Immer mal wieder entwickeln sich ja tatsächlich Angestelltenverhältnisse aus einem Praktikum. Hier in Saarbrücken direkt vor der Haustür hatten wir auch eine Praktikantin, die letztes Jahr direkt übernommen wurde im Anschluss an ihr Praktikum. Oder zum Beispiel auch freie Gutachten. Wenn sich beispielsweise jemand selbstständig macht, der oder die den Masterabschluss macht und im Rahmen von Praktika schon Kontakte gesammelt hat – auf diese Kontakte kann man dann später eventuell aufbauen.

Evelyn: Vorhin hattest du mal erwähnt, dass du ja nicht nur als Koordinatorin vom Studiengang Erfahrung mit dem Thema Praktika gesammelt hast, sondern auch als Praktikantin. Kannst du ein bisschen von deinem Praktikum im Bereich Evaluation erzählen?

Sandra: Ich hatte das Glück, dass ich damals über ein Projekt hineingerutscht bin, das hier vom Centrum für Evaluation an der Universität des Saarlandes zusammen mit dem Masterstudiengang Evaluation in Costa Rica durchgeführt wurde. Es ging bei der Evaluation um die Arbeit des Opferschutzbüros in Costa Rica. Der DAAD hat das als Hochschulkooperationsprojekt gefördert und es wurde ein Praktikum ausgeschrieben, auf das ich mich beworben hatte. Zunächst waren die Projektbeteiligten ein paar Wochen hier in Saarbrücken, und da ich sowieso hier gewohnt habe, konnte ich mich da schon mit ihnen treffen und zusammenarbeiten. Später konnte ich als Studentin des Masterstudiengangs Evaluation mit einem Stipendium nach Costa Rica reisen und täglich an der Auswertung mitarbeiten. Die Evaluation des Opferschutzbüros war ein sensibles Thema. Da wurden vor allem Frauen befragt, weil die in der Regel die Opfer von häuslicher Gewalt sind. Weil die Interviews Sprachkenntnisse auf muttersprachlichem Niveau erforderten, war ich reine Schreibtischtäterin und eher in die Auswertung einbezogen. Das war aber völlig in Ordnung. Insgesamt hat sich die Evaluation über zwei Jahre gezogen und ich selbst war nur wenige Wochen beteiligt. Trotzdem hatte ich in meinem Praktikum einen superspannenden Einblick.

Evelyn: Wenn ich mich nun für den Bereich Evaluation interessiere, Praxiserfahrung sammeln und vielleicht auch ein Praktikum machen möchte, und ich bin nicht in der komfortablen Situation, dass ich dich als Beraterin zur Seite habe… Wie gehe ich da am besten vor?

Sandra: Bei mir haben auch schon Externe angerufen, die nicht Studierende des Masterstudiengangs Evaluation waren. Da gebe ich auf jeden Fall auch mal einen Tipp, das ist nichts Exklusives für die Studierenden. Generell würde ich mich an die DeGEval wenden. Ausschreibungen finde ich unter anderem in den DeGEval-Newslettern. Ich würde eventuell auch auf DeGEval-Tagungen gehen und mich persönlich vernetzen, und den Kontakt zum Nachwuchs-Netzwerk suchen. Dann gibt es mittlerweile auch (digitale) Stammtische, die man besuchen kann. Und empfehlenswert ist auch die Mailing-Liste Forum Evaluation, in der man selbst ein Gesuch posten kann. Eventuell gibt es auch darüber hinaus spezielle Vernetzungsmöglichkeiten, wenn man selbst schon im Berufsleben steht. Also auch ein bisschen schauen, wo sind meine Stärken, was ist mein akademischer Background, wo kann ich andocken.

Evelyn: Das heißt, in einem Wort: Netzwerken?

Sandra: Auf jeden Fall. Schauen, wo es Angebote gibt. Sich auch selbst ins Gespräch bringen. Und nach wie vor bietet es sich an, sich auch mal persönlich vorzustellen. Irgendwann wird es ja wieder Zeiten geben nach Corona, in denen es wieder leichter ist, sich persönlich zu treffen. Und in der Regel freuen sich auch diejenigen, die ein Praktikum anbieten, wenn sie Bewerberinnen und Bewerber schon ein bisschen kennenlernen können. Und die großen Evaluierungsinstitute, zumindest in der EZ, schreiben wirklich regelmäßig Praktika aus. Sich da zu bewerben, das geht immer.

Schon gehört? Im Nachwuchs-November lädt der PME-Campus alle Interessierten zu zwei Webinaren und einer Netzwerk-Veranstaltung ein. Für alle, die sich (völlig unabhängig vom Alter) für den Bereich Planung/Monitoring/Evaluation interessieren.

Evelyn: Ja, super. Möchtest du jetzt vielleicht noch ein bisschen Werbung machen für die Praktikumsanbieter*innen? Wenn ich ein Praktikum ausschreiben möchte, was muss ich tun, um gute Praktikant*innen zu finden?

Sandra: Eine Möglichkeit wäre natürlich, selbst auch über das Forum Evaluation zu posten. Oder in der DeGEval-Mail, denn dort sind auch Studierende vernetzt. Wir vom Masterstudiengang Evaluation haben auch einen Verteiler von Studierenden und Absolventinnen und Absolventen. Wir versenden sehr, sehr gerne Praktika-Angebote, Ausschreibungen und auch Masterarbeitsangebote. Und meiner Erfahrung nach kommt da auch meistens ein Praktikumsverhältnis zustande.

Evelyn: Und was sollten die Bewerber*innen für ein Praktikum mitbringen?

Sandra: Ich würde mir erst einmal den Hintergrund anschauen: einschlägiges Studium, sozialwissenschaftliche Erfahrung, eventuell (einschlägige) Arbeitserfahrung. Viele haben zum Beispiel in Marktforschungsinstituten gejobbt, das heißt, die können Interviews durchführen oder haben schon gewisse statistische Grundkenntnisse. Wichtig ist auch der Beweggrund für die Bewerbung. Manche haben vielleicht schon gewisse Themen im Kopf, manche wollen ihr Praktikum mit einer Masterarbeit verbinden. Das hat auch manchmal einen gewissen Reiz für diejenigen, die Praktika ausschreiben, weil dann bestimmte Fragestellungen intensiv bearbeitet werden, die sich ein Unternehmen oder eine Evaluationsagentur sonst nicht leisten könnte. Auch Schlüsselkompetenzen sind ganz wichtig, unter anderem Sprachkenntnisse.

"Im Bereich Evaluation haben ja die meisten Nachwuchs-Kolleg*innen schon sozialwissenschaftliche Grundkenntnisse und viel berufliches Fachwissen. Das sind in der Regel keine Berufsanfänger*innen mehr, und denen könnte man jetzt ein bisschen entgegenkommen, indem man sich für flexiblere Modelle öffnet."

Sandra Schopper

Evelyn: Vielen Dank! Jetzt habe ich meine Fragen alle gestellt. Möchtest du noch was einbringen, was du rund um das Thema Praktikum noch wichtig findest?

Sandra: Ich möchte gerne dafür Werbung machen, dass man die moderne Technik ein bisschen mehr nutzen kann. Früher sind Studierende für zehn Wochen Praktikum nach Bonn gezogen, zum Beispiel. Das ist mit enormem finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden. Durch Corona haben wir gelernt, dass das vielleicht nicht mehr unbedingt nötig ist. Man kann ja auch eine Woche in Präsenz machen, aber die restlichen neun Wochen ist man zu Hause. Das lässt sich eher bewerkstelligen. Man sollte mehr auf die Lebenswelt der Praktikantinnen und Praktikanten eingehen, weil die wenigsten aus dieser klassischen Bachelor-Studierenden-Phase herauskommen. Die meisten sind schon beruflich verankert, haben dann plötzlich Berührungspunkte mit Evaluation und satteln nochmal einen Master nebenberuflich darauf.  Und da wäre auch ein Teilzeitmodell gut, in dem man beispielsweise zweimal pro Woche ein paar Stunden arbeitet, oder auch nur einmal pro Woche. Also: mehr Teilzeitmodelle, und weg von reinen Präsenz-Praktika. Im Bereich Evaluation haben ja die meisten Nachwuchs-Kolleg*innen schon sozialwissenschaftliche Grundkenntnisse und viel berufliches Fachwissen. Das sind in der Regel keine Berufsanfänger*innen mehr, und denen könnte man jetzt ein bisschen entgegenkommen, indem man sich für flexiblere Modelle öffnet. Natürlich alles im Rahmen der Möglichkeiten.

Evelyn: Ja, das ist ein sehr guter Punkt und ein runder Abschluss, finde ich. Vielleicht können wir damit ja ein paar Leser*innen des Blogs inspirieren. Danke dir für das Interview!

Sandra: Auch von mir vielen Dank!

 

Kurz zusammengefasst: Ressourcen/Netzwerkmöglichkeiten zu Praktika in der Evaluation

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