Mehr als nur Nachwuchs-Förderung: Mentoring in der Evaluation

Ein Gastbeitrag von Hannah Pütz

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Mentoring ist eine aus meiner Sicht geniale und im deutschen Evaluationsraum oftmals vernachlässigte Möglichkeit für Nachwuchsevaluator*innen, den eigenen beruflichen Weg zu formen, professionelle und persönliche Kompetenzen zu erweitern und sich zu vernetzen. Das Thema Mentoring ist somit für mich ein wesentlicher Baustein für einen gelungenen „Nachwuchs-November“. In diesem Beitrag beschreibe ich meine persönlichen Erfahrungen im Rahmen meiner Teilnahme am Global Mentoring Program von Eval Youth und gebe praktische Tipps und Hinweise für Nachwuchsevaluator*innen und potenzielle Mentor*innen.

Was ist Mentoring?

Mentoring wird in der Regel als „Beratung und Unterstützung durch erfahrene Fach- oder Führungskräfte“ verstanden. Aber auch innovative Ansätze, wie beispielsweise das von Patrice Gordon entwickelte Konzept des „reverse mentorings“, werden zunehmend bekannter. Beim reverse mentoring agieren Nachwuchskräfte – insbesondere solche, deren Stimmen auf der Führungsebene unterrepräsentiert sind – als Mentor*innen für erfahrene Führungskräfte. Und natürlich gibt es auch Mentoring-Beziehungen, in denen beide Seiten voneinander lernen.

Mentoring in der Evaluation – meine Erfahrungen

Meine eigene Sicht auf Mentoring ist stark geprägt durch meine Erfahrungen als Teil der dritten Kohorte des Eval Youth Global Mentoring Programs (GMP, siehe Info-Box). Das GMP zielt sowohl darauf ab, die professionelle Entwicklung von Nachwuchsevaluator*innen zu unterstützen, als auch das Wissen und die Netzwerke der Mentor*innen zu erweitern. Entsprechend wurde die Mentoring-Beziehung als eine Beziehung auf Augenhöhe und als gegenseitige Bereicherung verstanden und gelebt, wobei meine Anliegen als Nachwuchsevaluatorin im Vordergrund standen und ich unseren inhaltlichen Fahrplan in hohem Maße vorgeben konnte.

Überraschend für mich war, wie prägend das Mentoring für meine persönliche Weiterentwicklung war. Ich hatte ursprünglich angenommen, dass meine Mentorin und ich nur „professionelle“ Themen besprechen würden. Zu professionellen Themen zählten damals aus meiner Sicht Fragen zur eigenen beruflichen Laufbahn sowie technische Fragen zu Evaluationsansätzen und -methoden. Im Laufe des Mentorings wurde dann schnell deutlich, dass sich persönliche und so genannte professionelle Themen oftmals nicht voneinander trennen lassen. Katalysatoren für meine professionelle Weiterentwicklung waren in vielen Fällen Gespräche mit meiner Mentorin über die eigenen Verhaltensmuster und Beziehungsstile als (junge) Frau in der Evaluationswelt. Besonders hilfreich waren die Impulse meiner Mentorin zu konkreten Herausforderungen, mit denen ich während des Mentoring-Programms in meinen Arbeitskontexten konfrontiert war. Da meine Mentorin bereits viele der von mir beschriebenen Situationen selbst erlebt hatte, konnte sie mir ganz konkrete Handlungsstrategien empfehlen. So konnte ich direkt auf ihren Erkenntnissen aufbauen, anstatt möglicherweise erneut in die gleichen Fallen zu tappen.

Auch meine Mentorin betonte, dass sie von unserem Austausch profitiert hat. Zum Beispiel empfand sie es als hilfreich, dass ich mich als Nachwuchskraft noch stärker an den theoretischen Grundlagen und idealtypischen methodischen Vorgehensweisen orientierte. So konnte sie ihr eigenes Wissen auffrischen und erweitern. Zudem fand sie es hilfreich, durch den Austausch mit mir ihre eigenen Strategien in Worte zu fassen und zu reflektieren.

Zusammengefasst habe ich Mentoring als einen Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen einer erfahrenen Fachkraft und einer Nachwuchskraft erlebt, bei dem zumeist die Anliegen der Nachwuchskraft im Vordergrund stehen. Gleichzeitig war durch den Austausch auf Augenhöhe auch intergenerationelles Lernen möglich. Besonders lohnend war für mich, dass meine Mentorin und ich uns ganzheitlich als Menschen und nicht nur in unserer Rolle als Fachkräfte begegnet sind.

Das EvalYouth Global Mentoring Program (GMP)

Das GMP verfolgt das Ziel, durch die Vernetzung von Nachwuchsevaluator*innen und Mentor*innen zum Wissens- und Kompetenzaufbau sowie der Weiterentwicklung der beruflichen Laufbahn der Nachwuchsevaluator*innen (und Mentor*innen) beizutragen. Die Ziele des GMP in Bezug auf Mentees und Mentor*innen sind auf der Webseite des Programms detailliert dargestellt.

Mentees und Mentor*innen treffen sich für einen Zeitraum von ca. sechs Monaten regelmäßig (in meinem Fall wöchentlich) online und durchlaufen ein von Eval Youth bereitgestelltes Curriculum.

Das GMP wurde 2016 auf Grundlage einer globalen Online-Umfrage zur Erfassung der zentralen Mentoring-Bedarfe von Nachwuchsevaluator*innen konzipiert. Von 2017 bis 2018 wurde das GMP pilotiert und extern evaluiert (Link zum Bericht). Eine weitere Evaluation des GMP wurde auf Basis der darauffolgenden Kohorte in 2018 bis 2019 vorgenommen (Link zum Bericht). Der dritte Durchgang des Programms fand 2020 bis 2021 statt und der nächste Durchlauf wird derzeit vom Eval Youth Team vorbereitet.

Informationen zum GMP und zur Anmeldung können am zuverlässigsten auf der LinkedIn-Seite von Eval Youth eingesehen werden.

Wie finde ich passende Mentor*innen?

Eine gute Möglichkeit, Mentor*innen zu finden, bieten formelle Mentoring-Programme, wie beispielsweise das GMP. Aber auch andere Austauschformate, wie sie zum Beispiel von p2p oder dem Nachwuchsnetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) angeboten werden, können gut zur Vernetzung mit potenziellen Mentor*innen genutzt werden. Vorteilhaft an formellen Mentoring-Programmen finde ich, dass das Mentoring hier in eine Struktur eingebettet und der Rahmen vorgegeben ist. Die Mentor*innen sind interessiert und haben sich bereiterklärt, ein bestimmtes Zeitfenster für Mentoring-Zwecke zur Verfügung zu stellen. Mögliche Nachteile von formellen Programmen können sein, dass sie nur zu bestimmten Zeitpunkten stattfinden (bspw. wie das GMP nur einmal pro Jahr), dass eine Bewerbung erforderlich ist und dass nur eine begrenzte Anzahl an Nachwuchsevaluator*innen teilnehmen kann. Für meine Kohorte des GMP wurden beispielsweise 25 aus 351 Bewerbungen von Nachwuchsevaluator*innen ausgewählt. Zudem ist der Pool an möglichen Mentor*innen auf diejenigen beschränkt, die das Programm kennen und die Zeit investiert haben, sich als Mentor*in zu bewerben.

In Anbetracht dieser Einschränkungen ist es sinnvoll, in jedem Fall auch eigenständig nach passend erscheinenden Mentor*innen Ausschau zu halten und gezielt auf diese Menschen zuzugehen. Denn auch ohne den formalen Rahmen eines Mentoring-Programms können Nachwuchs-Evaluator*innen sehr von einer Art Mentoring-Beziehung zu erfahrenen Kolleg*innen profitieren. Gute Möglichkeiten, um nach Mentor*innen zu suchen, bieten professionelle Vernetzungsplattformen wie LinkedIn sowie Seminare, Workshops oder Konferenzen. Ich finde es beispielsweise hilfreich, mir auf LinkedIn die Profile von Personen anzuschauen, die in Bereichen und Positionen arbeiten, die mich interessieren. So kann ich zunächst ein Gefühl dafür bekommen, welche Hintergründe diese Menschen mitbringen und dann gezielt Personen kontaktieren, deren Lebensläufe ich spannend finde. Auch LinkedIn-Gruppen, wie beispielsweise „Monitoring and Evaluation Professionals“ oder „M&E for Development Professionals” können nützlich für die Vernetzung mit passenden Mentor*innen (und anderen Evaluator*innen) sein. Darüber hinaus lohnt es sich, bei Workshops, Seminaren und Konferenzen Ausschau nach potenziellen Mentor*innen bzw. interessanten Menschen für das eigene Netzwerk zu halten. Meine Mentorin hat mir empfohlen, insbesondere bei der Fragerunde am Ende von Präsentationen oder anderen Konferenz-Beiträgen darauf zu achten, welche Personen gute Fragen stellen oder Rückmeldungen geben, die mich zum Nachdenken anregen. Daran lässt sich dann leicht anknüpfen, um einen ersten Kontakt herzustellen.

Wie gehe ich auf potenzielle Mentor*innen zu?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich in der Regel freuen und hilfsbereit sind, wenn man Interesse an ihrer Arbeit zeigt und sie um Unterstützung bittet. Von meiner Mentorin habe ich den Tipp erhalten, mir Gedanken darüber zu machen und auch zu kommunizieren, welchen Mehrwert ich selbst für potenzielle Mentor*innen bieten kann und welche Verbindungen zwischen uns beiden ggf. schon bestehen. Haben wir einen ähnlichen professionellen Hintergrund? Sind wir in einer ähnlichen Region aufgewachsen? Engagieren wir uns für ähnliche Themen? Welche Fähigkeiten und Kontakte bringe ich mit, die für potenzielle Mentor*innen interessant sein könnten? Möglicherweise kann der Kontakt zu potenziellen Mentor*innen auch über eine dritte Person hergestellt werden, die beide kennen. Vor allem wenn man sich nicht wohl damit fühlt, unbekannte Kolleg*innen einfach so zu kontaktieren, kann so eine Initiierung hilfreich sein.

Meine Mentorin hat mir darüber hinaus empfohlen, selbst Zeit zu investieren, um potenzielle Mentor*innen mit anderen Nachwuchsevaluator*innen zu vernetzen. Auf diese Weise macht man es für Kolleg*innen leichter, passende Mentor*innen zu finden und erweitert bzw. festigt das eigene Netzwerk. Denn von einer Kultur der gegenseitigen Unterstützung und Vernetzung profitieren letztlich alle.

Was sollte ich als (potenzielle*r) Mentor*in wissen, und wie kann ich Nachwuchsevaluator*innen am besten unterstützen?

Potenziellen Mentor*innen würde ich raten, Nachwuchsevaluator*innen gegenüber Offenheit für eine Mentoring-Rolle bzw. für einen (informellen) Austausch zu signalisieren. Es kann viel Mut und Überwindung kosten, eine erfahrene Fachkraft anzusprechen. Eine freundliche, interessierte Haltung potenzieller Mentor*innen macht da einen großen Unterschied. Vielleicht ergibt sich sogar die Möglichkeit, einer Nachwuchskraft explizit ein Mentorship anzubieten. Ein proaktives Zugehen auf Nachwuchsevaluator*innen kann also ganz neue Türen öffnen.

Inhaltlich habe ich es als besonders hilfreich empfunden, wenn meine Mentorin offen von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet hat, inklusive eigener Herausforderungen und Lösungsansätze. Ich fand es toll, den Menschen hinter dem beeindruckenden Profil zu sehen und zu realisieren, dass meine Mentorin auch mal dort angefangen hat, wo ich gerade bin. Die Tatsache, dass sie auch über ihre eigenen Herausforderungen gesprochen und nicht versucht hat, allwissend zu wirken, hat ihre Impulse für mich deutlich authentischer und überzeugender gemacht.

Wichtig finde ich, nochmals zu betonen, dass das Mentoring auch für Mentor*innen bereichernd sein kann. Zum einen können das eigene Wissen, die eigenen Kompetenzen und das eigene Netzwerk erweitert bzw. aufgefrischt werden. Zum anderen sagte meine Mentorin mal mit einem Zwinkern, dass die Nachwuchskräfte, die sie jetzt unterstützt, später vielleicht ihre Vorgesetzten oder Auftraggebenden sein werden.

Fazit: Lasst uns das Thema Mentoring auf die Agenda setzen!

Mentoring ist aus meiner Sicht ein wertvolles Werkzeug sowohl für die eigene persönliche und professionelle Weiterentwicklung, als auch für das intergenerationelle Lernen in der Evaluation. Ich möchte alle Leser*innen dieses Blog-Beitrags dazu ermutigen, das Thema Mentoring auf ihre Agenda zu setzen. Das muss nicht unbedingt bedeuten, selbst eine Mentoring-Beziehung anzustreben. Auch die Vernetzung von Nachwuchskräften und potenziellen Mentor*innen ist ein wichtiger Beitrag. Die Mentoring-Beziehung muss zudem natürlich nicht wie in meinem Fall in Form eines intensiven, 6-monatigen Austauschs gelebt werden. Auch ein informelles Gespräch im Rahmen einer Konferenz oder ein virtueller „coffee chat“ kann Mentoring sein.

Schon gehört? Im Nachwuchs-November lädt der PME-Campus jedes Jahr alle Menschen ein, die sich für Planung/Monitoring/Evaluation als Berufsfeld interessieren oder die schon ihre ersten Schritte im Berufsfeld gemacht haben. Wir hören Praxisberichte aus verschiedenen Politikfeldern und vernetzen uns miteinander. Alle Veranstaltungen sind kostenfrei.

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